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News und Lesenswertes

Verkehrsrecht: Trägt ein elfjähriges Kind Mitschuld an Autounfall?

Ein elfjähriges Kind wurde von einem Auto erfasst. Es trug Hirnschädigungen und weitere schwere Verletzungen davon. Kann es aufgrund seines Alters mitschuldig für den Unfall gemacht werden? Wie ist die Haftungslage? Und wie bemisst sich in einem solchen Fall das Schmerzensgeld? Über diese Fragen hat ein Oberlandesgericht geurteilt.

Geklagt hat das Mädchen, das als letztes Kind einer Gruppe Gleichaltriger die Straße überquert hatte und dabei von einem Auto erfasst worden war. Generell gilt: Im Hinblick auf Kinder, ältere und hilfsbedürftige Menschen gelten für Autofahrer besondere Sorgfaltspflichten, insbesondere durch eine langsamere, angepasste Fahrgeschwindigkeit.

Im vorliegenden Fall hatte der Fahrzeugführer die vor Ort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometern jedoch überschritten.

Dass es sich bei den die Straße passierenden Personen um Kinder handele, habe der Autofahrer laut Aussagen eines Sachverständigen aus einer Distanz von 40 Metern erkennen können. Dafür sprach allein die Tatsache, dass eines der Kinder eine gelb reflektierende Regenjacke trug. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Mann damit rechnen müssen, dass weitere Kinder auf die Fahrbahn laufen und seine Geschwindigkeit drosseln müssen.

Da Fahrzeuge auf der Fahrbahn grundsätzlich Vorrang vor Fußgängern haben, verstieß das Kind gegen die Straßenverkehrsordnung. Trägt aber, wegen seines Alters und der gesamten Situation trotzdem keine Mitschuld, urteilte der Richter. Mit Vollendung des zehnten Lebensjahres können Kinder zwar für einen Schaden mit einem Kraftfahrzeug generell haftbar gemacht werden. Neben dem Alter müssen aber auch die konkrete Unfallsituation und auch kindliche Eigenheiten, wie Impulsivität oder mangelnde Konzentrationsfähigkeit, einbezogen werden. Das Kind habe zwar das herannahende Fahrzeug bemerkt, sich aber mit den drei vorausgehenden Kindern bereits auf der Fahrbahn befunden. „Dadurch entstand eine Gruppendynamik, nicht als einziges Kind aus der Gruppe zurückzubleiben“ heißt es in der Urteilsbegründung. Gerade bei der Gruppenbildung minderjähriger Verkehrsteilnehmer müsse mit der Unkonzentriertheit und Abgelenktheit einzelner Kinder gerechnet werden. Das Verschulden des Kindes sei so gering, dass es hinter dem überragenden Verschulden des Beklagten zurücktrete, so der Richter.

Das Alter des Unfallopfers wurde auch bei der Höhe des Schmerzensgeldes berücksichtigt. “Dauerschäden bei jungen Menschen, die ihr Leben noch vor sich haben, begründen ein sehr viel höheres Schmerzensgeld als bei Älteren“, erklärte das Gericht. Der Autofahrer wurde zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 35.000 Euro und zur Übernahme in voller Höhe für alle weiteren, aus dem Unfall resultierende Schäden verklagt.

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© Bild von Victoria Borodinova von Pexels